Gegen die NATO-Aggression in Libyen! Gegen jede Einmischung des
Imperialismus in die Prozesse im Nahen Osten!
Für den revolutionären Sturz des Gaddafi-Regimes!
Über den imperialistischen Krieg
in LibyenSeit dem 17. Februar wird Libyen von einer Rebellion gegen den Diktator Muammar al-Gaddafi aufgerührt. Nachdem in Tunesien und Ägypten Hunderttausender Werktätigen, Studierende, Bauer/Bäuerinnen und Arme ihre Diktatoren zu Fall gebracht haben, entstand auch im ölreichsten Land des afrikanischen Kontinents eine Bewegung zum Sturz des Regimes. Diese entwickelte sich schnell zu einem Bürgerkrieg und stellt somit die bisher blutigste Stufe in den revolutionären Prozessen in der arabischen Welt dar.
Zur Verteidigung ihrer ökonomischen und geostrategischen Interessen - und aus Angst vor einer weiteren Radikalisierung der Proteste im Nahen Osten und Nordafrika - entschieden sich die imperialistischen Großmächte USA, Frankreich und Großbritannien für eine militärische Intervention in Libyen. Ihr Ziel war es, einen „geordneten“ Regimewechsel vornehmen zu können, nachdem der UN-Weltsicherheitsrat am 17. März die Resolution 1973 verabschiedete, welche die Einrichtung einer „Flugverbotszone“ über Libyen vorsieht. Bei der Abstimmung enthielten sich fünf der 15 Sicherheitsratsmitglieder, darunter Deutschland, Russland und China, wobei die letzteren beiden nicht von ihrem Veto-Recht Gebrauch machten, welche die Annahme der Resolution verhindert hätte.
US-Kriegsminister Robert Gates gab ganz offen zu, dass die Resolution den Beginn eines Krieges mit Libyen bedeutet: „Lasst uns die Dinge beim Namen nennen: Die Einrichtung einer Flugverbotszone bedeutet einen Angriff auf Libyen.“
Frankreich, Großbritannien und die USA haben am 19. März mit Luftangriffen den NATO-Krieg gegen Libyen begonnen. Die ersten Einsätze flogen französische und britische Kampfflugzeuge. Von US-Kriegsschiffen und U-Booten im Mittelmeer wurden mit Hunderten Tomahawk-Marschflugkörpern Ziele in Tripolis und anderen Küstenstädten bombardiert. Dabei wurden zahlreiche Zivilpersonen getötet.
Die „Flugverbotszone“ wird mit dem heuchlerischen und zynischen Diskurs des „Schutzes der Zivilbevölkerung“ begründet, sie ist jedoch eigentlich der Versuch, die Kontrolle über die revolutionären Prozesse in der arabischen Welt durch eine pro-imperialistische Koalition zu erlangen. Denn die Welle von Revolten, die sich nach Tunesien und Ägypten auch auf Libyen und immer größere Teile der arabischen Welt ausgebreitet hat, stellt eine ernste Bedrohung für die ökonomischen und geostrategischen Interessen des Imperialismus dar.
Die lange Debatte über die Übernahme der Führung des Einsatzes durch die NATO entblößte die immer stärker werdenden Spannungen zwischen den verschiedenen imperialistischen Großmächten.
Die Uneinigkeit im Vorgehen der imperialistischen Länder ist der Tatsache verschuldet, dass die Umwälzungen und Revolten in der arabischen Welt sie unvorbereitet trafen.
Die europäischen Mächte sind damit beschäftigt, einen Plan für die Rettung der EU aufzustellen. Sie müssen die Gefahren für die EU abwenden, indem sie die Kosten der Krise auf die Lohnabhängigen abladen. Dabei müssen sie nationale Interessen berücksichtigen und sie gegenüber ihren Konkurrenten durchsetzen. Deshalb die unterschiedlichen Stimmverhalten im UN-Sicherheitsrat: USA, Frankreich und Großbritannien einerseits und Deutschland, Russland und China andererseits. Hinter der „unkoordinierten“ Intervention in Libyen, selbst wenn sie offiziell gegen das diktatorische Regime Gaddafis und auf die „Verhinderung ziviler Opfer“ gerichtet ist, steckt also der Versuch an erster Stelle die weitere Radikalisierung der arabischen Massen zu verhindern. Zu diesem Zweck soll in Libyen ein zuverlässigeres pro-imperialistisches Regime installiert werden, um die Situation dort zu entschärfen und gleichzeitig als das Signal an die Massen der Region zu schicken: Entweder fügt ihr euch unseren Diktaten oder wir intervenieren militärisch.
Dadurch verhindern sie auch, dass der revolutionäre Funke vielleicht sogar auf Europa springt. Zweitens liefern sich die Imperialisten einen weniger offenen Kampf um die Erweiterung ihrer Einflusssphären.
Die Rolle Deutschlands dabei kann, anders als wie in den bürgerlichen Medien dargestellt, keineswegs als eine anti-interventionistische Haltung gesehen werden. Der deutsche Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel (FDP) sprach hier selbst ganz offen: „Wir haben 7.000 Soldaten im Auslandseinsatz. Wir entlasten das [NATO-]Bündnis, indem wir deutsche Soldaten für AWACS-Einsätze nach Afghanistan schicken.“ Statt also in Libyen anzugreifen, will Deutschland den Einsatz in Afghanistan verstärken. Außerdem erlaubt die Bundesregierung die Nutzung aller NATO-Militärbasen in Deutschland für Angriffe auf Libyen und lässt die Führung des US-Angriffs durch das AFRICOM-Kommando von der US-Basis in Möhringen bei Stuttgart aus zu.
Dies deckt sich mit der Taktik, die schon Gerhard Schröder im Falle des beginnenden Irakkriegs 2003 anwandte: offizielle Anti-Kriegshaltung gepaart mit der indirekten Unterstützung des US-Angriffs durch Überflugrechte und eine Verstärkung des Afghanistan-Mandats. Stärker als im Falle Schröders drückt sich bei der jetzigen Enthaltung im Sicherheitsrat ein Versuch der generell unabhängigeren Positionierung der deutschen Wirtschafts- und Außenpolitik aus. Diese hat insbesondere seit dem Beginn der Krise die „Halbkolonialisierungsbestrebungen“ in Osteuropa verstärkt, was naturgemäß zu Spannungen mit dem US-Imperialismus führt (da das auch bedeutet, eine strategische Beziehung zu Russland aufzubauen). Doch auch wenn die deutsche Bourgeoisie darin übereinstimmt, dass sie längerfristig nicht mehr „Juniorpartner“ des US-Imperialismus in der Weltpolitik sein wollen und können, herrscht Uneinigkeit in ihren Reihen darüber, wie und mit welchem Tempo sie sich von den USA wegbewegen sollen.
Längst nicht alle Fraktionen der deutschen Bourgeoisie sind mit der Pseudo-Enthaltung der Bundesregierung zufrieden, wie die scharfen Reaktionen der bürgerlichen Medien und beispielsweise der Grünen zeigen. Auch aus den Reihen der CDU kommt viel Kritik an der Haltung Merkels, wie sich an den Aussagen des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbachs zeigt, der reklamierte, dass sich Deutschland an die Seite der USA und Großbritanniens hätte stellen müssen.
Die deutsche Rüstungsindustrie, sonst gut von der Bundesregierung mit Profitmöglichkeiten versorgt (zuletzt mit dem „Rettungspaket“ für Griechenland, welches in einer Klausel die enormen Rüstungsverträge Deutschlands mit Griechenland ausdrücklich von dem Sparzwang ausnahm, sieht sich hier von Merkel im Stich gelassen, wie der Austritt des Airbus-Chefs Thomas Enders aus der CDU eindrucksvoll zeigte.
In der Tat hat die deutsche Rüstungsindustrie starke Interessen in Libyen. Deutschland hat 2009 für 53,2 Millionen Euro Waffen an das Gaddafi-Regime geliefert - 13mal so viel wie im Jahr davor. 2009 hat sie unter anderem Splitterschutzwesten, G36 Sturmgewehre, Hubschrauber und Ersatzteile sowie Störsender nach Tripoli geliefert - und damit auch Waffen, die sich besonders für Bürgerkriege eignen. Mit diesen lässt sich die kommunikative Infrastruktur lahm legen, also Plattformen wie Handynetze, Facebook und Twitter. Die Aufhebung des Waffenembargos der EU im Jahr 2004 war Gaddafis Belohnung dafür, dass er die Flüchtlingsströme nach Europa an der afrikanischen Küste aufgehalten hat.
Der Aufstand der arabischen Massen aktualisiert die Epoche von Krisen, Kriegen und Revolutionen
Sie stellt die Blöcke und Allianzen in Frage. Sie offenbart die Widersprüche, in denen sich angesichts der Krise der US-Hegemonie und der Neuorientierung der EU-Staaten die verschiedenen Imperialismen befinden. So ist die Konfliktlinie, die sich hier zwischen den hauptsächlichen Interventionsmächten zeigt, Ausdruck der sich im Zuge der Wirtschaftskrise beschleunigenden Veränderung der wirtschaftlichen und geopolitischen Ordnung der Nachkriegszeit.
Ein klarer Beweis dafür ist das Wiederaufflammen der Spannungen zwischen den beiden Motoren der EU, Deutschland und Frankreich. Die scharfe Kritik Sarkozys an der deutschen Bundesregierung bezüglich ihrer Enthaltung im Sicherheitsrat ist in diesem Kontext zu sehen. Bei der französischen Intervention in Libyen haben die eigenen Fehler zu Beginn des arabischen Frühlings eine große Rolle gespielt. Kurz bevor die Revolte losging, sah Frankreich in Gaddafi einen sehr guten Freund, die damalige französische Außenministerin Alliot-Marie bot drei Tage vor der Flucht des tunesischen Diktators Ben Ali französische Spezialtruppen zur Aufstandsbekämpfung an.
Auch aus wahltaktischen Gründen sah sich Sarkozy gezwungen, seine sinkende Zustimmungswerte mittels einer Offensive in der internationalen Arena wieder in Griff zu kriegen, indem er versucht, das Image als Kolonialmacht wieder zu beleben. Denn dies ist einer der wenigen Gründe für den aktuellen kriegerischen Gang. In der Tat sind die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs in Libyen eher marginal.
Hinter dem Säbelrasseln Franreichs verbirgt sich also die sinkende Bedeutung des französischen Imperialismus in der EU und in Nordafrika. Deshalb versucht Frankreich Deutschland mittels Militäraktionen - der einzige Bereich, in dem es Deutschland noch überlegen ist - in die Schranken zu weisen. Die Botschaft ist eindeutig: Frankreich will, obwohl die politische und wirtschaftliche Führung der EU in Berlin liegt, dass die militärische und diplomatische Führung in Paris bleibt. Jedoch haben die Drohungen wenig Substanz.
„Paris verletzt weder Washington - die wahre Macht - noch Berlin. Das Problem wird kommen, wenn die französischen mit den deutschen Interessen kollidieren, was man sich leicht vorzustellen kann. Als gemeinsamer Block fällt Europa wirtschaftlich, politisch und kulturell weiterhin ab. Deutschland liebäugelt immer mehr mit Russland, auf den Spuren eines historischen Modells, das sich wiederholt. Dazwischen liegt Osteuropa, das panisch beobachtet, wie Berlin und Moskau sich umarmen, und nach Washington und Paris läuft, um nach Hilfe zu bitten. Es ist östlich der Oder, nicht in Afrika, wo es zum offenen Interessenkonflikt kommen kann.“
(La Estrella Panamá: Francia marca su territorio. 10. April 2011)
Deutschland versucht angesichts der „Provokationen“ aus Paris, seine Interessen zu wahren. Deshalb der „friedlichere“ Gang gegenüber Libyen. Deshalb bietet Deutschland auch Unterstützung bei der Entwicklung von „Fahrplänen zur Demokratie“ dort, wo es zur Zeit „notwendig“ ist: in den arabischen Ländern. „Demokratie und Rechtsstaat gehören zusammen.“ sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Deutsche Investitionen und eine Politik zum Abbau von Handelsbeschränkungen in einem bürgerlich-demokratischen Ägypten sind die Formeln, mit denen die „Fahrpläne“ für Ägypten, Tunesien und andere Länder vorangetrieben werden. Denn im Falle einer langfristigen Stabilität in der Region steigen die Chancen für die deutsche Wirtschaft.
Im Falle Libyens ist Deutschland, nach Italien, bisher der zweitwichtigste Exportpartner gewesen. Als Importpartner liegt Deutschland an vierter Stelle und damit vor Frankreich. 2009 exportierte Deutschland Waren für 1,13 Milliarden Euro nach Libyen, darunter Baumaschinen, Fahrzeuge und Lebensmittel. Der größte in Libyen tätige Konzern aus Deutschland ist BASF/Wintershall, der dort acht Ölfelder betreibt. Ebenfalls in Libyen präsent sind Großkonzerne, wie RWE, Eon, Siemens Ferrostahl, Thyssen-Krupp und der Baukonzern Bilfinger Berger. Insgesamt sind nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) knapp 40 deutsche Firmen in Libyen tätig. Sie kommen vor allem aus der Energiebranche, aber auch aus dem Bau-, Nahrungsmittel- oder Medizinbereich. Jedoch ist das Land als Markt für deutsche Firmen nicht so bedeutsam wie etwa Saudi-Arabien oder Ägypten, wo der eigentliche Blick heute gerichtet ist.
Auch für das US-Kapital ist Libyen nicht essentiell. Die USA intervenierten in Libyen nicht hauptsächlich aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen. Der Teil-„Rückzug“ der USA aus Libyen und das Überlassen vieler Kampfhandlungen an die NATO macht deutlich, dass es der US-Regierung eher darum geht, sich nicht in ein weiteres Afghanistan hineinziehen zu lassen, um die mehr als angeschlagene moralische Autorität des US-Imperialismus nicht noch mehr zu gefährden. Im Sinne Washingtons erweckt die NATO den Eindruck, unparteiischer als eine direkte US-Intervention zu sein. Die großflächige, militärische Unterstützung der Rebellen gegen die Gaddafi-treue Armee spricht hier aber eine deutlich andere Sprache.
Auch die deutsche Regierung positionierte sich für die Übernahme der Mission durch die NATO - ein klares Zeichen, dass es nicht um eine etwaige Anti-Kriegshaltung geht, sondern darum, den größten Konkurrenten Deutschlands, nämlich die USA und Frankreich, etwas mehr Kontrolle aufzulegen, ohne sich dabei zu sehr selbst in die Kriegshandlungen in Libyen zu verstricken.
Die offizielle Ablehnung einer Militärintervention in Libyen seitens der deutschen Regierung steht insofern auch im Zusammenhang mit dem Versuch, die Ausdehnung der Einflusssphäre Frankreichs im Mittelmeerraum auszudehnen, einzudämmen. Gleichzeitig versucht Deutschland, die eigene Einflussnahme in der Region zu steigern. Hinter der leeren und zynischen Rhetorik der Menschenrechte verbergen sich also knallharte wirtschaftlichen Interessen. Um es noch einmal mit aller Deutlichkeit zu sagen: Deutschland ist in der imperialistischen Aggression gegen Libyen eine Kriegspartei.
Die Rebellen und die NATO
Hier stellt sich die Frage nach der Zusammensetzung der Rebellenfront gegen Gaddafi. Welche Kräfte unterstützt die NATO eigentlich? Während die große Masse der Rebellen, welche einen heroischen Bürgerkrieg gegen das unterdrückerische Regime von Gaddafi führen, aus Arbeiter/Arbeiterinnen, armen Bauern/Bäuerinnen und Jugendlichen besteht, ist der libysche „Nationale Übergangsrat“ (CNTL), der sich als die Führung der Rebellen versteht (und sogar von Frankreich, Italien und anderen Ländern schon als legitime Regierung Libyens anerkannt wurde), hauptsächlich aus Ex-Gaddafi-Funktionären zusammengesetzt, die sich kurzfristig auf die Seite der Rebellen geschlagen haben, sowie aus Stammesführern und bürgerlichen Intellektuellen, Anwälten, Richtern und Offizieren, die in der Konfrontation mit Gaddafi ihre eigene Macht stärken wollen. Diese Führung hat kein Interesse an einer grundlegenden Veränderung der sozialen Verhältnisse in Libyen, die allein die Grundlagen für die Verbesserung der Lebensbedingungen der libyschen Massen legen könnte.
Stattdessen verhandelt sie seit Wochen mit der NATO und wird von der CIA unterstützt. Es muss noch einmal ganz klar betont werden, dass die militärische Unterstützung der Rebellen durch die NATO nichts mit einer tatsächlichen Parteinahme der imperialistischen Großmächte für die arabischen Revolten und beginnenden Revolutionen zu tun hat. Ganz im Gegenteil: die NATO unterstützt die Rebellen nur deshalb, um deren Führung zu kooptieren und sie dazu drängen, pro-imperialistische „Reformen“ nach ihrer Machtübernahme in Angriff zu nehmen. Nicht umsonst sprach die Libyen-Konferenz in London ausführlich über die „Nach-Gaddafi-Zeit“. Der „Nationale Übergangsrat“ hat sich dementsprechend auch schon beeilt, solche Reformen anzukündigen. Deshalb besteht die Taktik der Imperialisten auf militärischer Ebene darin, die Rebellen zu unterstützen (vorerst mit leichtkalibrigen Waffen und Militärberater), damit diese als Bodentruppen der imperialistischen Koalition fungieren. Die Führung um die CNTL betritt so den Pfad, den die UCK in Kosovo seinerseits betrat. Die anfangs fortschrittliche UCK, die für die nationale Selbstbestimmung und gegen die nationale Unterdrückung kämpfte, wurde zu einem Diener des Imperialismus, der die Bombardements der NATO unterstützte.
Statt sich aber zum Lakaien der NATO-Intervention machen zu lassen, welche letztendlich nur ein pro-imperialistisches Regime durch ein anderes ersetzen will, müssten die libyschen Massen eine unabhängige Perspektive entwickeln und sich offensiv sowohl gegen Gaddafi als auch gegen jegliche imperialistische Einmischung positionieren. Die Führung des „Nationalen Übergangsrats“ stellt keine Alternative im Sinne der libyschen Massen dar, sondern ist ebenso pro-imperialistisch wie Gaddafi. Notwendig für den Erfolg der libyschen Revolution ist eine unabhängige Politik der Unterdrückten, die sich mit den Arbeiter, Jugendlichen und armen Massen der anderen arabischen Länder und weltweit verbünden und sich deren aktive Solidarität sichern.
China - Russland
Am 26.04.2011 hat der iranische Fernsehsender PressTV ein Interview mit Dr. Paul Craig Roberts, dem ehemaligen US Vize-Finanzminister der Regierung Reagan, geführt. Roberts sieht in der Intervention in Libyen vor allem den Versuch der USA, das Wirtschaftswachstum der Chinesen zu bremsen. Die Rolle der US-Geheimdienste im Zusammenhang mit den Aufständen in Syrien interpretiert Roberts als Maßnahme gegen die russische Militärpräsenz im Mittelmeerraum. Insgesamt sieht Roberts die deutliche Gefahr eines Krieges zwischen den USA, China und Russland und wirft der amerikanischen Regierung einen waghalsigen und leichtsinnigen Umgang mit den beiden mächtigen Ländern vor.
Press TV: Wollen Sie damit sagen, dass es bei den Angriffen gegen Libyen um Öl geht?
Dr. Paul Craig Roberts: Es ist nicht nur das Öl. Es ist vielmehr das Eindringen von China in Afrika, zur Sicherstellung der Versorgung seines Energiebedarfs. Vielleicht kennen sie den Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF), der besagt, dass das „Amerikanische Zeitalter“ vorüber ist. Die amerikanische Wirtschaft wird bereits in fünf Jahren von China überholt werden. Damit werden sich die USA von der größten zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht entwickeln. Eines der von Washington verfolgten Ziele besteht also darin, die militärischen und strategischen Fähigkeiten der USA zu nutzen, um den Erwerb von Ressourcen durch China zu blockieren und so die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft zu verlangsamen.
(…)
Press TV: Denken Sie, dass Libyens diplomatische Isolation der Hauptgrund für die militärische Intervention gewesen ist?
Dr. Paul Craig Roberts: Ich halte das nicht für den hauptsächlichen Grund. Dieser lag vielmehr in der Verdrängung Chinas aus Libyen und das erleben wir ja aktuell. Von den ursprünglich 30.000 Chinesen in Libyen wurden bereits 29.000 evakuiert.
Wahrscheinlich besteht das größte Risiko – und das wird bisher ignoriert – in der chinesischen Haltung.
Laut Angaben des chinesischen Handelsministeriums ist China in Libyen in 50 großen Projekten involviert, deren Auftragswert 18 Milliarden US-Dollar ausmacht. Durch die jüngsten Unruhen in Nordafrika brachen die chinesischen Investitionen in der Region ein. Innerhalb der ersten zwei Monate dieses Jahres sanken sie in Libyen um 43% und in Algerien um 97%.
China hat eine Stufe der wirtschaftlichen Entwicklung erreicht, welche einen ununterbrochenen Strom an afrikanischen Rohstoffen erfordert und China entwickelt das Potential, seinen Einfluss in fast allen Teilen der Welt auszuüben. Die Extrapolation der gegenwärtigen Entwicklungen lässt darauf schließen, dass die zunehmende Instabilität und Unsicherheit (in der Region) unausweichlich die chinesische Armee nach Afrika führen wird.
China hatte sich zusammen mit Russland, Brasilien, Indien und Deutschland bei der Abstimmung über die Resolution des UNO-Sicherheitsrats zur Verhängung einer „Flugverbotszone“ über Libyen enthalten. Peking war gleichwohl nicht bereit, sein Vetorecht in der UNO auszuüben, da das sehr schnell zu einer deutlichen Verschlechterung der Beziehungen zu den USA und Europa geführt hätte. Gleichzeitig war China nicht in der Lage, militärisch seine eigenen Interessen voranzubringen, indem es sich am Angriff auf das libysche Regime beteiligte. Im Unterschied zu den USA, Großbritannien und Frankreich ist Chinas Hochseemarine erst im Entstehen begriffen und verfügt nicht über Flugzeugträger.
Chinesische Militärführer argumentieren, China müsse die militärische Kapazität haben, um seine rasch wachsenden wirtschaftlichen und strategischen Interessen in jedem Winkel der Erde zu verteidigen. China Military eine Zeitung der Volksbefreiungsarmee (People’s Liberation Army, PLA) erklärte am 4. April, die Auslandsinvestitionen chinesischer Firmen nähmen mit einer jährlichen Rate von 54 Prozent zu. „Ende 2010 hatten wir fast 16.000 ausländische Investment- und Kooperationsfirmen mit 1,4 Millionen Angestellten, und unsere gesamten Anlagen im Ausland beliefen sich auf fast 1,2 Billionen US-Dollar (...) Diese ständig wachsenden Interessen im Ausland effektiv zu verteidigen, stellt uns vor eine neue Aufgabe.“
Letztes Jahr hat China die USA als weltgrößter Produzent verdrängt, eine Position, welche Amerika mehr als ein Jahrhundert lang innehatte, und überholte Japan als zweitgrößte Wirtschaft der Welt. Zwischen 2006 und 2010 beliefen sich Chinas gesamte Direktinvestitionen ohne Wertpapiere auf 210 Milliarden US-Dollar, hauptsächlich in Energie, Infrastruktur und Metall. Dahinter steht sein enormer Bedarf an Rohstoffen. Von 2009 bis 2010 hat China mehr Geld an die Entwicklungsländer verliehen (110 Milliarden US-Dollar) als die Weltbank (105 Milliarden US-Dollar).
Die „Nichteinmischung“ wurde für den chinesischen Kapitalismus zu einem praktischen Instrument der Außenpolitik, als Peking diversen autokratischen Regimes in Asien und Afrika Kredite, Darlehen und Projekte als Gegenleistung für Rohstoffe oder strategische Stützpunkte anbot. Diese Politik lieferte Peking den Vorwand, sich den Pseudo-Menschenrechts-Kampagnen zu verweigern, welche die USA und die europäischen Mächte benutzten, um ihre eigenen Interessen in diesen Regionen zu verfolgen.
Libyen ist jedoch so etwas wie ein Wendepunkt geworden. Die Bombardierung durch die Nato hat Chinas wirtschaftliche Position in diesem Land massiv unterhöhlt und in Peking die Frage aufgeworfen, wie die chinesischen Interessen garantiert werden können.
In einem Artikel der New York Times vom 31. März erklärte Professor Yan Xuetong von der Tsinghua-Universität, er vertrete folgende Strömung: „Die Nation muss in internationalen Angelegenheiten mutiger und bestimmter sein, und zwar in einer Art und Weise, die Chinas neuem Status als Weltmacht entspricht.“ Er erklärte, selbst „vor wenigen Jahren hat kaum ein chinesischer Wissenschaftler das Prinzip der Nichteinmischung, der Verletzung der Souveränität anderer Nationen, in Frage gestellt. Neuerdings gibt es immer mehr Diskussionen über diese Frage (...) Selbst jene Chinesen, die denken, wir sollten uns nach wie vor zurückhalten, sind nicht gegen die Entsendung von Streitkräften nach Libyen.“
Ein offizielles Weißbuch über das chinesische Militär, das im März herausgegeben wurde, rechtfertigt die hohen Militärausgaben des Landes und verweist auf die Notwendigkeit, konkurrierenden Mächten entgegenzutreten. Was die asiatisch-pazifische Region angeht, heißt es darin: „Argwohn gegenüber China, Einmischung und Maßnahmen gegen China von außen nehmen ständig zu. (…) Die asiatisch-pazifische Sicherheit wird komplizierter und unbeständiger. Die internationale militärische Rivalität bleibt erbittert.“
Auch die neue Basis der KPCh unter aufstrebenden Kapitalisten und Schichten der Mittelklasse verstärkt den Druck für eine interventionistische Außenpolitik. So wie die KPCh selbst in ihren Äußerungen meist schon auf alle Verweise auf den „Sozialismus“ verzichtet, so greift sie in wachsendem Maße zu reaktionärem Nationalismus, um ihre Grundlage unter den wohlhabenden Schichten zu festigen, die ihre Zukunft mit dem internationalen Aufstieg des chinesischen Kapitalismus verbinden.
Einerseits zensiert das chinesische Regime jegliche Diskussion über die Kämpfe der tunesischen und ägyptischen Arbeiter, andererseits toleriert die Internet-Polizei die verschiedenen Blogs, die zum Einsatz chinesischer Truppen in Libyen aufrufen, um die chinesischen Investitionen zu schützen. Andere Blogger fordern China offen auf, sich der westlichen Allianz anzuschließen, um „einen Anteil an der Beute“ – dem libyschen Öl – zu bekommen.
Der Drang zu einer stärker interventionistischen Außenpolitik in Schichten des chinesischen Establishments ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die anhaltende Wirtschaftskrise die Rivalität zwischen den Großmächten um Rohstoffe, Märkte und Einflusssphären verschärft. Wenn die Arbeiterklasse das Profitsystem nicht abschafft, müssen diese Spannungen letztendlich zu direkten militärischen Konflikten führen.
Russisches Establishment gespalten
Libyen hat nicht nur in der Nato, sondern auch im russischen Establishment für Aufregung gesorgt.
Medwedew hat Russland in den letzten Jahren an die USA angenähert und auf Großmacht-Rhetorik, wie sie noch unter Putin üblich war, verzichtet. Indem sich Russland bei der Abstimmung zur Flugverbotszone im UN-Sicherheitsrat enthielt, gab der Kreml den USA im Libyen-Konflikt faktisch grünes Licht.
Welche Vorteile verspricht sich Medwedew von seinem Kurs der Zurückhaltung gegenüber Washington? Zum Einen, will Medwedew den Kurs der Annäherung an die USA nicht gefährden, zum anderen will er die Geschäftsinteressen russischer Unternehmen in Libyen schützen. Demnach geht Russland von einem Sturz von Gaddafi aus und möchte nach dessen Beseitigung seine guten Wirtschaftsbeziehungen mit Libyen fortsetzen.
Welche Geschäftsinteressen hat Russland in Libyen? Gasprom hat Anteile an libyschen Gas- und Ölfeldern in Höhe von 300 Mrd. Kubikmeter bzw. 110 Millionen Tonnen. Das staatliche russische Eisenbahnunternehmen RZD baute für 2,2 Mrd. Dollar eine Eisenbahnlinie von Sirt nach Bengasi und hofft auf Folgeaufträge. Das Unternehmen Technopromeksport wickelte in Libyen Infrastruktur-Projekte im Energiebereich ab. Das russische Rüstungsunternehmen Rosobronexport hat im letzten Jahr mit Libyen Lieferverträge in Höhe von 1,8 Mrd. Dollar abgeschlossen. In den nächsten Jahren rechnet das Unternehmen mit Aufträgen in Höhe von vier Milliarden Dollar.
In der Frage zum Krieg mit Libyen kam es zum Zwist zwischen Medwedew und Putin. Nachrichtenagenturen berichten von einem „politischen Erdbeben“. Tatsächlich ist der Konflikt der tiefste bisher erkennbare Riss zwischen Putin und seinem Nachfolger Medwedew.
Russlands Enthaltung im Sicherheitsrat war ein interner Konflikt in der russischen Führung über das Abstimmungsverhalten vorhergegangen. Putin und Außenminister Sergej Lawrow neigten eher zu einem Veto. Russische Unternehmen wie Gazprom oder die russischen Eisenbahnen verfügen über enge Beziehungen zum Gaddafi-Regime. Zudem kaufte der selbsternannte libysche Revolutionsführer Russlands Waffenschmieden Kriegsgerät für mehrere Milliarden Dollar ab.
Präsident Medwedew dagegen ließ Sympathie für die Resolution durchblicken. Kurz vor der Abstimmung feuerte er den Gaddafi-freundlichen Botschafter in Libyen und schwächte so die Position der Veto-Fraktion.
Die Positionen einiger Linken
In Deutschland hat die Intervention der NATO seltsamer Weise wenige Debatten ausgelöst. In weiten Teilen des linken Spektrums herrscht Einigkeit über den imperialistischen Charakter der Intervention - das war es aber auch. Die Ablehnung des Libyen-Krieges durch die verschiedenen Teile der reformistischen Linken in der BRD ist in Texten zwar vorhanden, beschränkt sich allerdings auf eine halbherzige Kritik der imperialistischen Aggression, die Hoffnungen in einer Verhandlungslösung hegt und jede ernsthafte Solidaritätsarbeit vermissen lässt.
DKP: Sie verurteilen zwar die imperialistische Intervention, schreiben dabei aber Gaddafi eine antiimperialistische Haltung zu. Somit übernehmen sie beinah wortwörtlich die Positionen eines Fidel Castro oder Hugo Chávez. Sie sehen also in Gaddafi nicht den Garant der imperialistischen Ordnung in der Region, der sich dem Neoliberalismus verschwor und sich schamlos durch die Erträge aus dem Export des Erdöls bereichert hat; nicht den Diktator, der bis vor kurze Zeit beste Beziehungen zu den imperialistischen Mächten unterhielt, angefangen bei Berlusconi und Sarkozy und auch bei den USA, die ihn für einen unerlässlichen Verbündeten im „Krieg gegen den Terror“ hielten. Ein Großteil der DKP sehen in ihm reflexartig einen antiimperialistischen Kämpfer. Somit nehmen sie in letzter Instanz eine reaktionäre Haltung zur Intervention ein, die mit einem falsch verstandenen Antiimperialismus gesalzen wird.
So schrieb die Rostocker DKP in ihrer Stellungnahme „Hände weg von Libyen“ vom 22. März 2011: „Seit Ghaddafi mit einer Gruppe progressiver Offiziere 1969 Libyen durch einen revolutionären Putsch auf die Straße des gesellschaftlichen Fortschritts unter arabischen Bedingungen gebracht hatte, musste das internationale Kapital auf 90% der Erdölvorkommen in Libyen verzichten. Diese Gewinne wurden für ein kostenloses Gesundheitswesen, kostenloses Bildungssystem, niedrige Mieten, also einen passablen Lebensstandard der einfachen Menschen verwandt.“
Ein blauäugigeres Bild vom Gaddafi-Regime ist kaum vorstellbar!
Allerdings ist diese Haltung so untragbar, dass dies zu Entgegengesetzten Positionen innerhalb der DKP führte. So behauptet die DKP offiziell „Es gibt keinen Grund, für das Gaddafi-Regime von heute besondere Sympathie zu empfinden. Die Zeit, in der er als Verfechter eines ‚ arabischen Sozialismus` in der Weltpolitik objektiv eine antiimperialistische Rolle spielte, ist seit längerem vorbei.“
Ähnliche Positionen vertreten verschiedene revisionistische Organisationen/Zeitungen.
Beispielsweise die „Junge Welt“, die in Gadaffi ein Anti-Imperialisten sieht.
Klar und unmissverständlich heisst es z.B. von Seiten der KPD (Roter Morgen):
- Der Aufstand großer Teile der libyschen Bevölkerung gegen das reaktionäre, pro-imperialistische Gaddafi-Regime ist Bestandteil der Aufstandsbewegungen in Nordafrika und der arabischen Welt und Ausdruck des Bestrebens der unterdrückten Völker, sich von den korrupten Marionettenregimes der Imperialisten zu befreien.
- Die Militärschläge der Imperialisten unter der Führung Frankreichs und der USA dienen dazu, die Kontrolle über Libyen zu behalten. Die Bombardements sollen gemeinsam mit allen politischen und geheimdienstlichen Manövern die wirklich demokratischen Elemente des libyschen Volksaufstands schwächen und dabei helfen, ein neues Regime herauszubilden, das die imperialistischen Interessen zum Ausdruck bringt. Es geht darum, einen neuen Marionettenstaat zu errichten, die libysche Bevölkerung zu unterwerfen und die Abhängigkeit Libyens vom Imperialismus zu verewigen. Auch die diplomatischen Manöver Deutschlands zielen unter dem Mantel der „Friedfertigkeit“ in diese Richtung.
- Um die Befreiung des libyschen Volkes und die Errichtung eines unabhängigen libyschen Staates zu erreichen, ist es notwendig, sowohl das Regime von Gaddafi zu zerschmettern als auch diejenigen Kräfte fortzujagen, die jetzt bestrebt sind, Gaddafis Rolle als Geschäftspartner und Erfüllungsgehilfe Frankreichs, der USA, Deutschlands, Großbritanniens und Italiens zu erben.
- Die Freiheit und Unabhängigkeit der Völker Nordafrikas
und
des Mittleren Ostens können nur im Kampf gegen den Imperialismus
und alle reaktionären Kräfte erzielt werden.