Die Kampagne gegen ehemalige RAF-Angehörige richtet sich gegen alle antikapitalistisch eingestellten Menschen und Projekte

Christian Klar, Angehöriger der ehemaligen Roten-Armee-Fraktion (RAF), seit 1982 inhaftiert und 1985 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, hat sich am 13. Januar mit einer kapitalismuskritischen Erklärung an die TeilnehmerInnen der Rosa-Luxemburg-Konferenz gewandt.
Er äußert die Hoffnung auf eine Entwicklung, "die Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden und die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen."
Und weiter: "Es muß immer wieder betont werden: Schließlich ist die Welt geschichtlich reif dafür, daß die zukünftigen Neugeborenen in ein Leben treten können, das die volle Förderung aller ihrer menschlichen Potentiale bereithalten kann und die Gespenster der Entfremdung von des Menschen gesellschaftlicher Bestimmung vertrieben sind."
Erst der Bericht des ARD-Magazins "Report Mainz" am 26. Februar sorgte für dessen bundesweite Beachtung. Kurz  darauf strich der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) dem Gefangenen die vorgesehenen Hafterleichterungen - unter Verweis auf die Kapitalismuskritik.
Zahlreiche PolitikerInnen haben seitdem gefordert, Christian Klar müsse aufgrund seiner Gesinnung lebenslang hinter Gittern bleiben.
Hafterleichterung setzt also prokapitalistische Ansichten und Bekenntnisse voraus. Ein Gefangener, der nach über 24 Jahren Haft immer noch nicht politisch gebrochen ist und der es wagt, Kritik an den herrschenden Verhältnissen zu äußern, scheint für diese Politiker nicht akzeptabel.
Diesen Politikern geht es um die völlige Unterwerfung des politischen Gefangenen; auch um öffentlich die Botschaft zu vermitteln: wer sich weigert vor der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung", vor dem Kapitalismus zu Kreuze zu kriechen, wird kriminalisiert (erinnert sei an dieser Stelle an das KPD-Verbot 1956, an den Radikalenerlaß 1972 mit den Berufsverboten, an die Unvereinbarkeitsbeschlüsse des DGB 1973).
Die Kampagne gegen Christian Klar deutet an, wohin die Reise gehen soll. Sie richtet sich nur vordergründig gegen Christian Klar und andere ehemalige RAF-Anhänger, gemeint sind aber alle antikapitalistisch eingestellten Menschen und Projekte.
Wir sind für die Freilassung Christan Klars. Wir kritisieren die Haftbedingungen, die gegenüber politischen Gefangenen in der BRD angewandt werden.

Wir kritisieren aber auch die Politik der RAF

Als  Anfang der 90er Jahre die Zusammenarbeit der RAF mit der Stasi bekannt wurde, war dies für viele eine große Überraschung. Helmut Pohl, RAF-Aktivist, zu lebenslanger Haft verurteilt, gab der "Frankfurter Rundschau" (2.7. 1991) im Gefängnis ein Interview, in dem er die Zusammenarbeit zwischen der Stasi und der RAF bestätigte. Die Kontakte bestanden Pohl zufolge zwischen 1979 und 1984 und beschränkten sich keineswegs darauf, daß die Stasi acht "Aussteigern" der RAF, nach denen in der BRD gefahndet wurde, Zuflucht gewährte und ihnen eine neue Identität verschaffte. Es wurden auch rege Informationen ausgetauscht: "Es ging dabei um die militärpolitische Auseinandersetzung in der politischen Situation der Stationierung, und wir waren interessiert, ein Bild von anderen Ländern zu kriegen, weil die DDR ja auch durch den Internationalismus viel über Länder der Dritten Welt wußte. Ihre Einschätzung interessierte uns. ...
Die Gesprächsteilnehmer der Stasi "wollten über die politische Entwicklung in der BRD was wissen... Sie haben uns gefragt: Wie denkt ihr darüber, wie schätzt ihr das ein. Sie hielten uns Flugblätter vor und fragten, was ist denn das." (Pohl)

Militärische Ausbildung

Pohl nahm im Frühjahr 1982 nach seinen Angaben zusammen mit zwei anderen Mitgliedern der RAF an einer militärischen Ausbildung teil. Die Ausbilder kamen von der NVA.
Es stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage es zu einer Zusammenarbeit zwischen RAF und Stasi kommen konnte.

Grundlagen der Zusammenarbeit

Warum wollte die RAF Kontakt zur DDR? Man könnte sagen, die RAF wollte einfach die Vorteile nutzen, die sich für sie aus einer solchen Zusammenarbeit ergaben.
Die RAF betrachtete den Stasi-Staat DDR als - zumindest potentiellen - Bündnispartner im antiimperialistischen Kampf und überdies als "sozialistisches Land".
B. Mohnhaupt sagte dazu: "Zur politischen Wirklichkeit damals gehörte, daß es international und eben auch in den sozialistischen Staaten ein Interesse am Widerstand und revolutionären Kampf in den Metropolen gab, in Westeuropa, und so auch zu uns in der BRD - aus ihrem grundsätzlichen Interesse an allen militanten Kämpfen, überall auf der Welt."
Mohnhaupt unterstellte direkt ein "grundsätzliches Interesse" der Revisionisten an "militanten Kämpfen" gegen den Imperialismus überall in der Welt. Aber von welcher Art waren diese "Interessen", beispielsweise beim Eingreifen der Sowjetunion und Kubas in afrikanischen Ländern? Den eigenen Einflußbereich, die eigene Macht zu vergrößern. Dies störte die RAF nicht grundsätzlich, das Verhalten der Revisionisten wurde als "internationalistisch" und "antiimperialistisch" verklärt.
"Wir waren wahrscheinlich für sie manchmal so unerträglich wie sie für uns. Wenn es mal rauher zuging, dann sagten sie, das ist halt die proletarische Art." (Pohl)
Bei einer solchen Familien-Idylle können einem geradezu die Tränen kommen!
Wie sieht es nun bezüglich der DDR-Führung aus?
Welches war ihr Interesse an der Zusammenarbeit  mit  der RAF? Immerhin haben sie und ihr Ableger in der Bundesrepublik, die DKP, stets in den schrillsten Tönen die wirklichen Kommunisten attackiert, weil diese tatsächlich von der Notwendigkeit ausgehen, den Imperialismus gewaltsam zu zerschlagen - wenn die Bedingungen dafür reif sind, versteht sich. Wie kommen die Revisionisten also zur Zusammenarbeit mit der RAF, die eine Gewalt praktiziert, die vom Kampf der werktätigen Menschen völlig losgelöst ist und diesem schadet?
Nun, Friedenstauben waren die Revisionisten bestimmt nicht.  Sie hatten durchaus etwas für Gewalt übrig, wenn diese geeignet war, ihre eigene Macht zu erhalten und zu vergrößern. An eine revolutionäre Gewalt, die vom Kampf der Arbeiterklasse und der übrigen Werktätigen für ihre ureigensten Interessen ausgeht, haben sie freilich nie gedacht, eine solche Gewalt haben sie nie für möglich gehalten und waren auch nicht daran interessiert. Sie haben überhaupt niemals daran gedacht, die Werktätigen für deren ureigenste Interessen zu mobilisieren. Sie haben die werktätigen Massen in Wirklichkeit verachtet. Sie sind davon ausgegangen, daß es einige  "hervorragende Führer" sind, die "Geschichte machen", nämlich sie selbst. Den Werktätigen ist dabei lediglich die Rolle zugedacht, als Manövriermasse der Führer zu dienen.
Entsprechend war ja auch die DDR aufgebaut: Entmündigung der Massen und Konzentration jeglicher Macht in den Händen des Politbüros der revisionistischen Partei (SED).
Und hier traf sich die Ideologie der Revisionisten mit der Ideologie der RAF: Auch die RAF geht ja davon aus, daß die Werktätigen zu dumm seien, für ihre eigenen Interessen einzutreten, daher müßten einige militante "Helden" die "Revolution" herbeibomben.
Auf dieser Grundlage versuchte die Stasi, die RAF für die Interessen der herrschenden Klasse der DDR zu nutzen. Diese herrschende Klasse der DDR hoffte auf eine Ausdehnung   ihres   Herrschaftsgebiets auf die BRD durch eine Verbindung militärischer Aktionen des Osten mit individuell-terroristischen Handlungen im Westen.
Derartige Pläne der Revisionisten wie der RAF haben bzw. hatten nicht das Geringste mit den Interessen der Arbeiterklasse, haben nicht das Geringste mit einer Vorbereitung der proletarischen Revolution zu tun. Die proletarische Revolution ist nicht die Summe von individuellen Terrorakten, sondern  das Handeln breiter Massen, die durch ihre Lebensbedingungen einerseits und den Terror der Bourgeoisie andererseits dazu gezwungen sind.
Die  Gewaltanwendungen seitens der Revisionisten und der Terroristen schaden dem Klassenkampf, sind konterrevolutionär, und sie führen, wenn sie "erfolgreich" sind, nur zu einem Regime, in dem die Werktätigen von neuen Herren ausgebeutet und unterdrückt werden. Weder die Revisionisten noch die Terroristen haben mit den Interessen der Arbeiter etwas gemeinsam.
Die Zusammenarbeit von DDR-Revisionisten und RAF könnte für jenen Teil der westdeutschen Linken lehrreich sein, der sowohl für die einen als auch für die anderen offene oder versteckte Sympathien hat (für die DDR natürlich nostalgischer Art). Denn diese Zusammenarbeit macht deutlich, daß die Zielrichtung von beiden antiemanzipatorisch war, daß beide alles andere im Sinn hatten als die Selbsttätigkeit der werktätigen Massen.

1977 hatte unsere Partei in einem Grundsatzartikel ihre Haltung zur RAF, zum Terrorismus dargelegt. (siehe: Roter Morgen, ZO der KPD/ML, Nr. 43/77)
"Wie stehen wir Kommunisten zur Entführung und Erschießung Schleyers? Warum verurteilen wir die verbrecherische Flugzeugentführung des Lufthansajets mit Urlaubern aus Mallorca an Bord? Wie steht unsere Partei zur Taktik des individuellen Terrors?
Diese und ähnliche Fragen sind nach den Ereignissen der letzten Wochen erneut bei vielen Menschen aufgetaucht. Nicht zuletzt deshalb, weil die Bourgeoisie mit ihrer Hetze gegen den "Terrorismus" systematisch versucht, uns Kommunisten nicht nur mit den Anhängern der Taktik des individuellen Terrors, sondern auch mit den Entführern der Lufthansamaschine in einen Topf zu werfen."

Neue Erkenntnisse nach dem Beitritt der DDR zur BRD

Aussagen von in der DDR untergetauchten und 1990 festgenommenen ehemaligen Illegalen aus der RAF führten zu  neuen Kronzeugenprozessen  gegen RAF-Aktivisten. So wurde z.B. Christian Klar ein  weiteres Mal zu lebenslänglich Knast verurteilt wurde.

Die Revisionisten und die Gewalt als Mittel der Machtergreifung

Wenn wir von revisionistischen Parteien sprechen, so meinen wir die klassisch revisionistischen Parteien wie etwa die DKP, die stets treu zur revisionistischen Sowjetunion eines Chruschtschow oder Breshnew standen. Gewiß haben diese Parteien die Möglichkeit eines friedlichen Übergangs zum Sozialismus propagiert und haben damit den Imperialismus beschönigt und verharmlost. Gleichzeitig wissen wir aber heute, daß die Stasi ausgesuchte Mitglieder der revisionistischen DKP zur Durchführung gewaltsamer Kommandoaktionen militärisch ausgebildet hat. Die Revisionisten waren also bereit, bei Bedarf auch die terroristische Karte auszuspielen. Das Denken und Handeln der Revisionisten in der DDR schloß die Gewalt als Mittel zum Sturz der westdeutschen Monpole durchaus ein, und die DKP bewegte sich ebenfalls im Rahmen entsprechender Strategien. Und auch das opportunistische Bekenntnis zum Grundgesetz hätte die DKP-Revisionisten keineswegs davon abgehalten, auf eben dieses Grundgesetz zu pfeifen und die Macht auf einem "nicht verfassungskonformen Weg" zu ergreifen, wenn sie die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Dies unterschied sie von der Sozialdemokratie, und das ist auch der Grund, warum die Bourgeoisie den Verfassungsschutz, Berufsverbote usw. gegen die DKP einsetzte, obwohl sie letztlich - ebenso wie die SPD - der bürgerlichen Ordnung diente.
Die DKP wiederum hatte die Hoffnung, zur herrschenden Partei in der BRD zu werden. Dies hat aber nichts mit proletarischer Revolution zu tun. Und zwar völlig unabhängig davon, ob Leute wie Honecker und Mielke, die als leitende Spitzen einer Ausbeutergesellschaft handelten, subjektiv weiterhin an solche Begriffe wie an eine Religion glaubten.
Es ist durchaus möglich, daß solche Leute den religiösen Kult, der mit sinnentleerten Begriffen wie "Herrschaft der Arbeiterklasse" usw. verbunden war, aufgrund ihres ganzen persönlichen Werdegangs für sich selbst benötigten. Daß hat jedoch die gleiche Bedeutung wie die Frage, ob der Kapitalist, der die Arbeiter ausbeutet und knechtet, sonntags in der Kirche an den Kultus der "Nächstenliebe" sowie an die unbefleckte Empfängnis glaubt.
Dem Inhalt, den Zielen der Gewalt, die die Revisionisten anzuwenden bereit sind, entspricht auch die Form dieser Gewalt, die sich grundlegend von der Form der Gewalt, die von der revolutionären Arbeiterklasse angewendet wird, unterscheidet. Die proletarische Revolution ist nicht etwa eine Summe von individuellen Terroraktionen, sondern das Handeln breiter Massen, die durch ihre Lebensbedingungen einerseits und den Terror der Bourgeoisie andererseits dazu gezwungen sind. Bei der Gewalt hingegen, die die Revisionisten anzuwenden bereit sind, handelt es sich der Form nach um Akte individuellen Terrors, die bereits in der Vorstellung der Revisionisten vom Kampf der Massen völlig losgelöst sind.
Dies beruht darauf, daß die Revisionisten selbst von den Massen losgelöst waren und sich eine "Revolution" daher nur als Verbindung militärischer Aktionen des Ostens mit individuell-terroristischen Aktionen ausgewählter "Helden" im Westen vorstellen konnten.
Nach ihrer Vorstellung sind nicht die Massen die Triebkraft der Weltgeschichte, sondern einzelne "Helden", und nichts anderes meinen sie, wenn sie von führender Rolle der "Kommunistischen Partei" sprechen.
In der Mißachtung der Massen und der Verabsolutierung der Rolle einzelner "Helden" in der Weltgeschichte unterscheiden sie sich nicht von der RAF, und das mag eine Wurzel sein, die der Zusammenarbeit von Stasi und RAF zugrundeliegt.
Man vergleiche die folgenden Ausführungen Lenins mit der Vorstellung der Honecker und Mielke, der Bachmann und Mies über den "Sturz der  westdeutschen Monopole!":
"Um über den Kapitalismus zu siegen, bedarf es richtiger Wechselbeziehungen zwischen der führenden, der kommunistischen Partei, der revolutionären Klasse, dem Proletariat, und der Masse, d.h. der Gesamtheit der Werktätigen und Ausgebeuteten. Nur die kommunistische Partei, wenn sie tatsächlich die Vorhut der revolutionären Klasse ist, wenn sie alle besten Vertreter dieser Klasse in ihren Reihen zählt, wenn sie aus völlig bewußten, der Sache treu ergebenen Kommunisten besteht, die in zähen revolutionären Kämpfen geschult und gestählt worden sind, wenn diese Partei es verstanden hat, sich mit dem ganzen Leben ihrer Klasse und durch sie mit der ganzen Masse der Ausgebeuteten unlösbar zu verbinden und dieser Klasse und dieser Masse volles Vertrauen einzuflößen - nur eine solche Partei ist fähig, das Proletariat in dem schonungslosesten, in dem entscheidenden, letzten Kampf gegen alle Kräfte des Kapitalismus zu führen. Andererseits ist das Proletariat nur unter der Führung einer solchen Partei fähig, die ganze Macht seines revolutionären Ansturms zu entfalten... Erst wenn die Sowjets zum einzigen Staatsapparat geworden sind, ist eine wirkliche Teilnahme an der Regierung für die ganze Masse der Ausgebeuteten möglich... Erst in den Sowjets beginnt die Masse der Ausgebeuteten, nicht aus Büchern, sondern auf Grund der eigenen praktischen Erfahrung wirklich zu lernen, wie man den Sozialismus aufbaut und eine neue gesellschaftliche Disziplin, einen freien Bund freier Arbeiter schafft." (Lenin, Werke Band 31, S. 176)
Man braucht diese Ausführungen nur zu lesen, und man begreift sofort, warum z.B. die DKP niemals eine solche Partei sein konnte. Nicht etwa, weil sie nicht den Wunsch zur Macht gehabt hätte. Aber sie wollte die Macht nicht für die Arbeiter, sondern für sich selbst. Sie wäre daher niemals - auch nicht in einer revolutionären Situation - in der Lage gewesen, die Arbeiter anhand von deren eigenen Interessen für revolutionäre Aktionen zu mobilisieren. Sie hielt die Arbeiter auch nicht für fähig zu lernen, wie man den Sozialismus aufbaut. Sie konnte sich einen "Sozialismus" nur so vorstellen wie in der DDR, wo die Parteiführung in alle Ewigkeit jegliche Macht in ihren Händen konzentriert. Und eine Gewalt zum Sturz des westdeutschen Imperialismus konnte sie sich daher weder im Inhalt noch in der Form als eine revolutionäre Gewalt der Arbeiterklasse vorstellen. Also: Es stimmt schon, daß die Revisionisten die gewaltsame proletarische Revolution ablehnen: Sie lehnen den proletarischen Klassenkampf in Inhalt und Form ab. Doch die Gewalt "an sich" lehnen sie keineswegs ab.

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