Ein alter Hut....

Der Reichsverband der Deutschen Industrie veröffentlichte am 2.12.1929 eine Denkschrift, die in den Grundzügen den heutigen Konzepten des Monopolkapitals zur "Lösung" der Krise völlig entspricht

Ausgangspunkt für alle Maßnahmen der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ist ... die Förderung der Kapitalbildung. Sie ist die Voraussetzung für die Steigerung der Produktion und liegt daher im Interesse aller Schichten des deutschen Volkes. Die Kapitalakkumulation ist eben der Lebenszweck des Kapitals. Und die Propagandalüge von den Gewinnen, die Investitionen und damit Arbeitsplätze und Wohlstand für alle bedeuten, gehört ebenso dazu.

"Die deutsche Wirtschaft muß von allen unwirtschaftlichen Hemmungen befreit werden. Die Vorbelastung der Produktion durch Steuern ist auf das unumgänglich notwendige Maß zurückzudämmen". Durch Steuersenkungen die Nettoprofitraten erhöhen, gehört zum Standardrepertoire des Kapitals. Das wird heute moderner als Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und Stärkung des Standorts verkauft.

"Die bisherigen Grundlagen der Sozialversicherungsgesetze sollen erhalten bleiben, aber Ausgaben und Leistungen müssen im Gegensatz zum jetzigen Zustand den Grenzen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit angepaßt werden".

Die Sozialversicherungsausgaben sind Lohnkosten, deren Senkung wiederum die Profite steigert. Gerade in Krisenzeiten braucht man das.

Der RDI verlangte ferner eine "energische Senkung der Ausgaben aller öffentlichen Körperschaften" und die "Beschaffung der Mittel stärker als bisher durch indirekte Besteuerung".

Natürlich: wenn Kapitalsteuern sinken, müssen andere Ausgaben beschnitten werden. Was sonst?

Fehlt nur noch der Angriff auf die Löhne: "Ebenso hemmend wie das Steuersystem wirkt sich die Lohn- und Gehaltshöhe aus. ... Hauptsächlich das starre Festhalten der Arbeiterschaft an erreichten Nominallöhnen und unablässiges Drängen nach weiterer Erhöhung zwingt die Produktion zu fortschreitender Mechanisierung. ... Die Arbeiterschaft sägt den Ast ab, auf dem sie sitzt."
(So der Jahresbericht der Deutschen Bank von 1929)

Na klar: die Arbeiterklasse ist mit ihren "überhöhten" Löhnen schuld an der Arbeitslosigkeit und der Ausweg aus der Arbeitslosigkeit sind Lohnsenkungen. Die alte Leier.

Da das Interesse des Kapitals an Maximalprofit heute wie damals dasselbe ist, sind auch die Methoden zur Steigerung der Profitraten und die Konzepte im Prinzip dieselben. Die Seifenblase der "Sozialen Marktwirtschaft" und des "Sozialstaates" zerplatzt, weil sie in den Interessen des Kapitals letztlich kein Fundament hat. Die ökonomische Entwicklung, die das Kapital hervorruft, führt zu Krisen und Verelendung der Arbeiterklasse, nicht zu sozialer Sicherheit und Wohlstand.

Solange das Kapital existiert, wird ihm und seinen Parteien nichts anderes einfallen, als "die Förderung der Kapitalbildung" als Selbstzweck. So etwas wie "soziale Verantwortung" kann es nur geben, wenn die Werktätigen selbst über die Produktionsmittel und ihren eigenen Staat verfügen und die Befriedigung ihrer Bedürfnisse nicht mehr in den zu engen Rahmen der Kapitalakkumulation als den Hauptzweck der Produktion eingesperrt wird.
(alle Zitate aus Ulrike Hörster-Philipps, Wer war Hitler wirklich, Großkapital und Faschismus 1918-1945, Dokumente, Köln 1978, S. 76 bzw. 80)

Was treibt eigentlich die Sozialdemokraten heute diesen Kahlschlag zu betreiben?

Ernst Thälmann stellte auf dem XII. Parteitag der KPD am 10. Juni 1929 in Berlin eine ähnliche Frage:
"Wir müssen uns ernst Fragen, weshalb die Sozialdemokratie auf dem Magdeburger Parteitag gezwungen war, alle ihre Schandtaten der Koalitionspolitik usw. so offen zu verteidigen und den 'Mut zur Unpopularität' aufzubringen... Was heißt 'Mut zur Unpopularität'? .... Die klipp und klare Antwort auf die gestellte Frage, warum die Sozialdemokratie gezwungen war, schon von dem Mut zur Unpopularität zu sprechen, lautet: die Sozialdemokratie muß jetzt sich selbst vor der breiten Masse entlarven, weil die allgemeine ökonomische und politische Lage Deutschlands sie zwingt, durch dick und dünn mit der Trustbourgeoisie und ihren Partnern in der Koalition, der deutschen Volkspartei und dem Zentrum, zusammenzugehen und deren Wünsche zu erfüllen."

Wie die Zeiten sich doch gleichen...

Und zur Lage der deutschen Arbeiterklasse und der Werktätigen stellte Ernst Thälmann unter Punkt 4 fest:
"Der Abbau der Sozialpolitik auf allen Gebieten, in der Frage der Erwerbslosen, der Kranken, der Rentner und Invaliden, bei dauernder Verschärfung des Steuerwuchers, bedeutet eine weitere Tatsache, die zur Senkung des Lebensniveaus der Massen beiträgt. ... Es sei denn, dass der Widerstand und die Rebellion der Massen so stark werden, dass die Bourgeoisie vielleicht nicht in der Lage ist diesen Abbau durchzuführen." (Hervorhebung RS-Red.)

Es war einmal eine revolutionäre SPD - aber das ist lange, lange her:
"Diesem System keinen Mann und keinen Groschen"
(August Bebel; Mitbegründer und Vorsitzender der SPD bis 1912)

"...wodurch wird die Disziplin der revolutionären Partei des Proletariats aufrechterhalten? wodurch wird sie kontrolliert? wodurch gestärkt? Erstens durch das Klassenbewusstsein der proletarischen Avantgarde und ihre Ergebenheit für die Revolution, durch ihre Ausdauer, ihre Selbstaufopferung, ihren Heroismus. Zweitens durch ihre Fähigkeit, sich mit den breitesten Massen der Werktätigen, in erster Linie mit den proletarischen, aber auch mit den nichtproletarischen werktätigen Massen zu verbinden, sich ihnen anzunähern, ja, wenn man will, sich bis zu einem gewissen Grade mit ihnen zu verschmelzen. Drittens durch die Richtigkeit der politischen Führung, die von dieser Avantgarde verwirklicht wird, durch die Richtigkeit ihrer politischen Strategie und Taktik, unter der Bedingung, daß sich die breitesten Massen durch eigene Erfahrung von dieser Richtigkeit überzeugen. Ohne diese Bedingungen kann in einer revolutionären Partei, die wirklich fähig ist, die Partei der fortgeschrittenen Klasse zu sein, deren Aufgabe es ist, die Bourgeoisie zu stürzen und die ganze Gesellschaft umzugestalten, die Disziplin nicht verwirklicht werden" (Wladimir Iljitsch Lenin)

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